Die Göttinnen oder Die drei Romane der Herzogin von Assy by Heinrich Mann

Die Göttinnen oder Die drei Romane der Herzogin von Assy by Heinrich Mann

Autor:Heinrich Mann [Mann, Heinrich]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Aufbau
veröffentlicht: 1956-12-31T23:00:00+00:00


Die Herzogin stand allein und abgewandt in der Terrassentür. Sie wollte nichts mehr sehen von dem gesunkenen Gatten, noch von der Geliebten, die ohnmächtig ihrem Maler nachsah, wie er mit der Abenteurerin verschwand, noch von dem blinden Dritten, den schwitzend und hinkend sein irres Glück durch die leeren Kabinette scheuchte.

Da hörte sie hinter sich San Baccos Stimme:

»Herzogin, Sie sind wunderschön. Unsere Pallas ist noch immer schöner geworden. Wie war das möglich? Je älter ich wurde, desto höher ist meine Zärtlichkeit für Sie gewachsen. Sie hat sich bereichert um die ganze Liebe, die ich sonst in Waffengängen für die Freiheit ausgab.«

Sie sah regungslos geradeaus.

»Ich hätte nicht geglaubt, daß ich Sie noch tiefer würde lieben können, Herzogin«, sagte er. »Heute ist es aber dennoch geschehen, in dem Augenblick, wo ich einen Freund bekommen habe.«

Und da sie schwieg:

»Ich habe nämlich heute abend – und gerade in Ihrem Hause und wie aus Ihren Händen, Herzogin, einen Freund bekommen, dem in meiner schönsten Jugend, scheint mir, keiner geglichen hatte. Nicht wahr, Nino? Oh, Leute wie wir fühlen das schon beim Händedruck. Und erst beim Fechten! Beim Fechten kommt gleich heraus, ob man treulos ist oder gutgläubig; auch ob man sich vergessen kann, zeigt sich, und draufgehen für eine Sache: sei es bloß dem Ruhm zuliebe oder weil sie so schön ist, die Frau Herzogin von Assy. Nicht wahr, Nino, sie ist schön?«

Es entstand eine Pause. Darauf sprach eine jugendliche Stimme klar und zitternd:

»Ja, sie ist schön.«

Die Herzogin wandte sich langsam um und lächelte ihnen beiden zu. Sie wußte, San Bacco sagte ihr kein zärtliches Wort, das er nicht zuvor gerade so kindlich und wahr empfunden hätte wie der dreizehnjährige Gefährte die seinigen. Sie standen umschlungen vor ihr. Der Greis hielt die Hand im Nacken des Knaben und der Ephebe seinen Arm um die Hüfte des Mentors.

»Ich bin Ihnen dankbar«, sagte sie und mußte abbrechen. Dann beendete sie:

»Sie wissen nicht, ich brauche Sie, gerade heute …« Sofort spannte sich seine Haltung, seine Stimme ward hell und befehlshaberisch.

»Sie brauchen mich? Aber verspricht es Ihnen nicht unser alter Pakt, wann immer Sie mich rufen mögen –«

»Still, still. Ich brauchte Ihre guten Worte. Es ist schon in Ordnung. Sagen Sie mir noch mehr: was bin ich Ihnen, und was ist Ihnen Nino?«

»Die Begegnung mit einem Freunde erfrischt meine Liebe zu meiner Herrin. Mein Blick sucht Sie, Herzogin, und bleibt liegen auf dem Schimmer über Ihrem Haar: und zugleich fühle ich, daß auch ein Freund mir gehört. Was macht es, daß er ein Kind ist. Wenn ich ihn früher, auf der großen Abenteurerfahrt meines Lebens gehabt hätte, wo soviel gehungert, triumphiert, geknirscht, geblutet wurde – wie, Nino? wir wären das Freundespaar gewesen, das das letzte Glas Wein verschüttet, weil keiner es dem andern wegtrinken will, das umschlungen das Kapitol ersteigt, das an einer Kugel stirbt, weil nur ein Herz zu treffen war … Es ist merkwürdig, ich weiß nicht, warum ich heute abend erregt bin und schwärme. Es ist ja nichts geschehen.«

›Nein, noch nicht‹, dachte die Herzogin.

Sie erschauerte leicht in der süßen Abendluft; sie empfing sie, geneigten Hauptes, gegen ihre Stirn.



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